Presseaussendung zur 32. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums

Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) hat sich in seiner 32. Sitzung am 16. Mai 2022 mit den Implikationen der Invasion Russlands in die Ukraine für die Finanzmarktstabilität in Österreich sowie den Vorbereitungen für die Entscheidungen zu den strukturellen makroprudenziellen Kapitalpuffer auseinandergesetzt. Das Gremium hat auch seine Empfehlung zum Antizyklischen Kapitalpuffer (AZKP) erneuert.

Herausforderungen aus der Invasion Russlands in die Ukraine

Die vorausschauenden makroprudenziellen Maßnahmen der letzten Jahre haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Konsequenzen aus den bestehenden Unsicherheiten, die sich neben dem Russland/Ukraine-Krieg vor allem aus der steigenden Inflation und den damit zusammenhängenden steigenden Zinsen ergeben, effektiv mitigiert werden. Zu diesen Maßnahmen gehören neben den makroprudenziellen Kapitalpuffern und nachhaltigen Vergabestandards vor allem auch die Initiativen zur Reduktion der Fremdwährungskredite und das Nachhaltigkeitspaket zur Reduktion der Liquiditätstransfers an Tochterbanken im Ausland. Die Stärkung der Einlagensicherungen und Liquiditätsausstattungen stellen weitere wichtige Komponenten innerhalb des integrierten Ansatzes der makroprudenziellen Aufsicht in Österreich dar. Im Ergebnis hat dieser Gesamtansatz die Resilienz des österreichischen Finanzsystems gestärkt und damit die Finanzierung der Realwirtschaft auch in Zeiten der Pandemie und russischen Angriffskriegs in der Ukraine sichergestellt. Auch die Einlagensicherung hat ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Insgesamt bleiben jedoch Risiken für Kreditqualität, Ertragslage und Refinanzierungskonditionen aus Zweitrundeneffekten, erhöhten Inflationsraten und abrupten Zinsanstiegen bestehen. 

Vorbereitungen für die Pufferentscheidungen

Das Gremium hat sich in dieser Sitzung auch mit den für die 33. Sitzung vorgesehenen Empfehlungen zu den beiden strukturellen makroprudenziellen Kapitalpuffern – dem Systemrisikopuffer (SyRP) und Systemrelevanten Institute-Puffer (OSII-Puffer) – auseinandergesetzt. Das Gremium hat dabei festgesellt, dass sich die aufgebauten Puffer durch eine erhöhte Risikotragfähigkeit, eine verbesserte Wahrnehmung durch Ratingagenturen und Investoren und eine höhere Belastbarkeit der Einlagensicherungen positiv auf die Finanzmarktstabilität in Österreich ausgewirkt und damit zur Schonung der öffentlichen Finanzen beitragen haben. Die Kreditvergabe ist auch nach Einführung der Puffer dynamisch geblieben und Finanzierungskonditionen waren kein wesentlicher limitierender Faktor in der Unternehmensfinanzierung. Dennoch ist der österreichische Bankensektor – nach einer Aufholbewegung über die letzten Jahre – jüngst in seiner Kapitalausstattung im Vergleich zu anderen Bankensystemen in Europa wieder zurückgefallen. Das Gremium hält fest, dass die wesentlichen strukturellen Systemrisiken seit der letzten Evaluierung im Jahr 2020 weiter bestehen. Es wird im Herbst dieses Jahres seine Entscheidung zum SyRP gemeinsam mit jener zum OSII-Puffer treffen und dabei weiterhin einen integrierten Ansatz unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit der Einlagensicherungen und des Abwicklungsregimes verfolgen.

Empfehlung zum Antizyklischen Kapitalpuffer

Das FMSG empfiehlt der FMA, den AZKP bei 0 % der risikogewichteten Aktiva zu belassen, obwohl der Indikator zur Kredit-BIP-Lücke im vierten Quartal 2021 auf 2,6 %-Punkte gestiegen ist und auf Basis dieses Indikators ein AZKP angezeigt wäre. Die Indikatoren zu Fehlbepreisung von Risiken, Solidität der Bankbilanzen, Kreditentwicklung und Entwicklung von Immobilienpreisen weisen ebenfalls auf deutlich erhöhte zyklische Risiken im Finanzsystem hin. Insbesondere sind die Wachstumsraten von Immobilien- und Unternehmenskrediten auch im Vergleich zum BIP-Wachstum deutlich erhöht geblieben. Im Immobilienkreditbereich ist vor dem Hintergrund der nach Veröffentlichung der Empfehlung nochmals angestiegenen Kreditdynamik ein rasches Inkrafttreten der Maßnahmen notwendig, um einen weiteren Anstieg der systemischen Risiken hintanzuhalten. Im Unternehmenskreditbereich wird es relevant sein, inwieweit die aktuellen Wachstumsraten von dauerhafter oder temporärer Natur sind, da der gestiegene Liquiditätsbedarf auch kurzfristig im Zusammenhang mit den Unsicherheiten rund um den Krieg in der Ukraine, der Notwendigkeit kurzfristiger Kredite zur Finanzierung erhöhter Lagerhaltungen aufgrund von Lieferkettenproblemen, sowie der Absicherung günstiger Finanzierungsbedingungen angesichts steigender Zinserwartungen stehen kann.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der erhöhten Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, der hohen Inflation und den gestiegenen Zinsen stehen, sieht das Gremium vorerst von einer Aktivierung des AZKP ab. Sollte sich das aktuell hohe Kreditwachstum nicht auf ein nachhaltiges Niveau reduzieren, erachtet das Gremium jedoch in einem nächsten Schritt die Aktivierung des AZKP – gegebenenfalls mit einem verkürzten Implementierungszeitraum – als geboten.

Informationen zum FMSG

Das FMSG hat im Jahr 2014 seine Tätigkeit aufgenommen. Seine Aufgabe ist die Stärkung der Finanzmarktstabilität. Mitglieder sind Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen, des Fiskalrats, der Finanzmarktaufsicht und der Oesterreichischen Nationalbank. Das FMSG kann insbesondere Empfehlungen an die Finanzmarktaufsicht und Risikohinweise abgeben.